Jammerkatze extrastark

Ja. Ich jammere. Ich jammere mich dumm und dämlich und könnte manchmal über jede einzelne meiner Entscheidungen heulen. Könnte ich. Macht das eine Mama? NEE! Eine Mama hat immer als ultimative Reißleine das „ich würde sie ja niemals hergeben…“-Ding. Was ein Glück haben wir das! 

Ich bin inzwischen so müde. Ich dachte so oft, ich steh genau an der Grenze, aber diese kleine Familie schiebt und kuschelt immernoch ein kleines Stückchen weiter. Ich kann in Bewusstseinszuständen Kinder anlachen, kochen und Wäsche waschen, die kannte ich früher gar nicht. Was hab ich mich in meinem bisherigen Leben angestellt! AU bei Erkältung? Ein Witz! Kopfschmerzen? Wofür gibts Apotheken! Das ganze homöopathische Getue ist für die Kinder gut, für mich gibts nur den harten Stoff. 

Ich hab zwei kleine Jungs hier rumhuschen. Der eine wird im April 2 Jahre alt. Der andere 1. Viele Mamas können sich in etwa vorstellen, wo der Haken hängt: Sie sind einfach beide sehr sehr klein und sehr sehr bedürftig! Der Große lernt emsig sprechen, das ist eine Vereinfachung. Und der Kleine möchte gehen, was auch vieles leichter macht (doch, macht es!). Kann ich beiden Kindern gerecht werden? Nö. Nie! Und das tut schrecklich schrecklich weh…

Der Große hängt sehr an mir und belegt mich ausnahmslos ganz alleine. Da wird niemand sonst geduldet. Und das ist schön, aber es ist auch fürchterlich, weil ich ihm diese Nähe nicht uneingeschränkt geben kann und manchmal (mit Schmerzen, Husten, Erschöpfung…) auch gar nicht will. Er versteht es langsam. Er ist überhaupt sehr empathisch, wie ich finde. Mimik zu deuten ist ein Kinderspiel für ihn. Nichts desto trotz ist er ein sehr kleiner großer Junge, der sehr viel Nestwärme und Geborgenheit braucht, um glücklich sein zu können.

Sein kleiner Bruder scheint emotional autarker. Scheint. Durch den Großen ist es für mich sehr schwer, an der Bindung zum Kleinen zu arbeiten. In unsere gemeinsame Zeit fallen auch viele Erledigungen und der Haushalt und so jagt mich auch da das schlechte Gewissen vor sich her. Er entwickelt sich wunderbar. Er lernt vieles von seinem Bruder. Er wächst und lacht und hat Appetit. Das beruhigt mich formal. Nichts desto trotz wäre ich ihm schrecklich gern viel näher, würde ich gerne mehr mit ihm auf dem Boden liegen anstatt ihn durch die Wohnung von Baustelle zu Baustelle zu tragen. 

Ich hatte mir das alles so anders vorgestellt. Ich hatte mir schon die Schwangerschaften anders vorgestellt. Nur war leider das, was meine innere Logik als Minimum für einen guten Verlauf vorgegeben hat, nicht das, was mein Umfeld leisten wollte/konnte. Ja, Schwiegermutter war 3 Monate lang für zwei Tage die Woche hier, um mir mit dem Großen zu helfen, weil ich mich qua SS dringend schonen sollte, nur: ich verstehe mich mit ihr überhaupt nicht! Ich halte sie für eine total indirekte und unsichere Frau und hatte jedes Mal das Gefühl, ich müsse ihr helfen und nicht sie mir. Meine eigenen Eltern sind auch in Reichweite, aber meine Mutter ist die Königin unter den Jammerkatzen. Ja, auch da fällt dann die Nachfrage um Hilfe etwas schwer. Zumal ich mir meine familiäre Unabhängigkeit echt hart erkämpft habe und mich tatsächlich in einer Regression fühle, weil ich plötzlich wieder abhängig bin.

Für jeden Mist brauche ich Hilfe. Ich kann die zwei Jungs (11 und 16kg) nicht in den 3ten Stock hochtragen. Der Große KANN die Treppen selber laufen, aber ich kann den Kleinen nicht so lange halten, bis der Große wirklich alle Punkte auf den Stufen gezählt hat. Und es soll ja auch Kinder geben, die ihre volle Windel nicht so toll finden und dann das Treppenhaus zusammenschreien, was sich sehr direkt auf ein Stressempfinden auswirkt. Es ist ein Roulette-Spiel.

Wir haben für Ausfahrten mit beiden Kindern einen Croozer angeschafft. Der ist super. Nur ständig kaputt. Also bleibt ein Kinderwagen und die Hand oder Kinderwagen und Tragesystem. Bombe! Wir haben hier leider ein paar Autos auf der Straße, weswegen an der Hand für mich anstrengend wird, wenn ich mit der anderen den Kinderwagen schiebe. Und Einkaufen kann ich mit dem Croozer nur bei einem bestimmten Supermarkt hier im Umkreis. Ist also auch praktisch. Schiebt meine Einkäufe also immer in die Zeit mit dem Kleinen…

Sicher wird es besser. Irgendwann. Sicher wird es beispielsweise in 5 Jahren super sein, wenn beide Jungs etwa ähnliche Interessen was Freizeitgestaltung angeht entwickelt haben. Wir werden uns wohl nicht über FSK-Beschränkungen für Filme oder Fahrgeschäfte in Vergnügungsparks streiten müssen. Nur ist das Zukunftsmusik. Und sehr weit weg. Aktuell hangle ich mich von Wochenende zu Wochenende. Ich will eigentlich nur gesund sein, damit ich den Alltag schaffe und mir Nischen herausarbeiten kann. IRGENDWAS für mich. Eine Stunde Häklen, Yoga, Badewanne, Friseur, Lesen in der Sonne, mal sinnlos Fernsehen…ich weiß ganz genau, was mir fehlt und wozu es gerade jetzt wichtig wäre, es zu bekommen, nur habe ich keine Chance. Ich bin zu müde für den Organisationsaufwand. Ich schlafe schon bei der Tagesschau auf dem Sofa ein. Mein ganzer Stolz ist das gekochte baby- und kleinkindfreundliche Essen, dass ich seit zwei Monaten durchgehend täglich hinbekomme (früher konnte ich essen gehen…einfach essen gehen…in Ruhe…wie mir das fehlt!).

Ich kann so viel und kriege so wenig hin. Ich bin mit Sicherheit die beste Mama, die meine Kinder haben können! Sicher! Nur liegt das nicht an meinen herausragenden Qualitäten sondern daran, dass so ziemlich ALLE Mamas, die ich kenne und frage, vergleichbare bis identische Probleme haben! Manche von ihnen übermalen das mit ihren persönlichen Projekten oder setzen einfach eine geliebte Sonnenbrille auf. Aber keine kann es besser. Niemand hat das Patentrezept. Und ich denke, da kommen wir an den Kern der Sache, wenn selbst mein Vater feststellt: „Ist schon blöd: wenn du Kinder hast, kannst du dir kein großes Auto und ein großes Haus leisten und wenn du alt bist, und es dir leisten kann, brauchst du es gar nicht mehr…“

Wie schaffe ich das? Kredit auf die Zukunft. Äußerste Reduktion meiner Bedürfnisse. Aufblasen von allem, was schön ist (SONNE SONNE SONNE!). Alles feiern, was feierbar ist. Ignorieren, was nicht schreit. Vermeiden was zu tun ist (solange es nicht stinkt).

2 Antworten auf „Jammerkatze extrastark

  1. Liebe Minusch,
    zunächst einmal, ich finde deine Devise: „Vermeiden, was zu tun ist“ ganz wunderbar. Alles auf das absolute Minimum runterfahren. Egal wie die Wohnung aussieht, wie hoch der Wäscheberg steigt. Ehrlich gesagt, mir wäre es sogar egal, ob das Essen in den nächsten zwei Wochen meinen hohen Anforderungen genügen. Egal. Das wichtigste ist doch jetzt erst einmal gesund zu werden. Könntest du die Kinder nicht tagsüber von den Großeltern betreuen lassen? Also, nicht bei dir zu Hause, sondern bei denen. Dann kannst du dich ausruhen, schlafen, Kraft tanken und endlich gesund werden. Die Nächte sind ja dann immer noch hart genug. Was ist denn mit deinem Mann? Kann er nicht einspringen, sobald er zu Hause ist? Kann er nicht mal die Nachtschicht machen? Immerhin ist doch Ausnahmezustand. Gibt es nicht auch die Möglichkeit eine Hilfe bei der Krankenkasse zu beantragen?
    Ich kann deine Sitation wirklich sehr gut nachempfinden. Ich wüßte nicht, was ich tun würde, ohne die Hilfe die ich zum Glück bekomme. Und du bist ja jetzt wirklich schon eine ganze Weile krank. Ich würde dir so gerne helfen, dir zu ein paar Stunden Freiraum verhelfen. Aber wie sollte das gehen?! Da bleibt mir also nur, dir viel Kraft zu wünschen und dir zu versichern. Es wird auch wieder besser. Nicht erst in 5 Jahren. Es ist doch schon mal viel gewonnen, wenn die zwei Zwerge halbwegs durchschlafen, dann bekommst du die Abende zurück, ein Stück altes Leben. Und wenn du erst einmal wieder gesund bist, dann ist auch der Alltag nicht mehr so furchtbar. Da bin ich fast ganz sicher. Bis dahin. Vermeide was zu tun ist. Wirklich. Vermeide alles was geht.
    Ganz liebe Grüße & viel viel Kraft
    Momatka

  2. Von innen sieht es immer wieder ganz anders aus. Und ich mache hier nichts ganz allein. Nur: Papa ist selbständig. Natürlich kommt er heim, wenn hier alles zusammenbricht. Nur bezahlt das keiner. Meine Mutter arbeitet halbtags und ist nach der Arbeit müde…wer bin ich, meine Erschöpfung mit ihrer aufzuwiegen und zu regeln, wer jetzt dringender auf dem Sofa liegen muss? Meine Mutter kennt meine Situation und meinen Zustand. Sie geht so weit, wie sie meint gehen zu können. Und dann ist Sense (ist auch besser für unser aller Nerven, denn Oma-Schnupfen ist schlimmer als Mama-Schmerzen).

    Es ist wie es ist. Ich nehme die Hilfe, an die ich rankomme. Alles andere muss dann eben schleifen. Meistens schleife ich (weiß ich, wieviele komische Mechanismen bei mir noch im Hintergrund rattern, wenn ich immer wieder aufspringe weil Kind 1 oder Kind 2 schreit, obwohl Papa da ist…also, ich springe nicht sofort, erst ab Schmerzgrenze…aber ich springe und alle sehen „Mama da! Mama laufe! Keks!“ *grmpf).

    Und ich jammere immer wieder, bemerke dieses System, fürchte ein wenig die Zukunft und lenke mich wieder ab. Nächste Woche darf ein Neurologe dran. Ich wette, meine Beschwerden sind mal wieder psychosomatisch getriggert und gesetzt, aber das erklär mal einem Schulmedinziner, der meint: „Wir müssen erst alles andere ausschließen…“

    Ich wünschte einfach, wir hätten mehr Geld und damit mehr Zeit zu viert. Diese Wochenenden sind zu wenig, um zu viert zu sein. Wir gehören doch alle zusammen und funktionieren am besten zusammen. Aber wir sind es kaum…das ist traurig. Und wenn dann Oma und Opa am Wochenende sagen: „Wir gehen mit den Jungs in den Zoo…“ dann freu ich mich über die Pause und weine der gemeinsamen Zeit hinterher. Sie sind doch noch so klein…

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