Ultra-Aschenputtel

Ich werde am Samstag an meinem ersten Kindersachenflohmarkt teilnehmen. Also: als Verkäuferin. Als Kundin weiß ich schon lange, wohin sich die Wege lohnen, in welchen Krabbelstuben die Edel-Kindersachen verkauft werden und welchen Stand beim Hammer-Flohmarkt ich ausschließlich und sofort ansteuernd muss. Aber zum Verkaufen hat mit bisher die Kraft gefehlt.

Nun ist es so weit. Ich habe unsere Kindersachen eigentlich regelmäßig durchsortiert. Mit dem Ergebnis, dass es ein einziges Chaos in Kisten ist. Oder war, denn eben bin ich in die Vergangenheit eingetaucht, hab die Sachen nochmal durchsortiert und logisch verpackt.

Und ich war nicht wehmütig.

Wirklich kein Stück.

Diese kleinen Sachen…ich habe das Gefühl, mein Kind ist jetzt erst da. Vorher war es sowas wie ein kostbares Geschenk, dass ich überall mit hin nehmen muss. Ich trenn mich wirklich gern von all dem Babyzeug. Auch vom Fläschchenwärmer. Dem Stillkissen. Dem Spielbogen. Mobiles. Irgendwie hängt da für mich gar nichts dran…

Und vor allem hängt da kein Fragezeichen dran. Kein „und wenn nun doch noch eines…?“ So nett ich ein Mädchen als Verstärkung gefunden hätte, ich glaube, mit meinen beiden Jungen breche ich das, was ich unseren Familienfluch nenne. Die Vererbung von Frauengeneration zu Frauengeneration, dass wir opferbereit, hilfsbereit, attraktiv und schwach zu sein haben. Das Gefühl, dass uns jemand anderes das Leben verpfuscht haben könnte. Die Angst vor der Vergangenheit und vor der Zukunft. Dieses Perfektionsding. Für mich hängt das alles in einem großen Bild zusammen: dem Ultra-Aschenputtel.

Der Vater meiner Mutter war natürlich ein Kriegsveteran. Meine Mutter hat mir immer wieder unterschiedliche Geschichten über seinen Kriegseinsatz erzählt. Aber klar war immer, dass sie ihn für einen Mistkerl hielt. Sie wollte nie wissen, was ihn zu dieser Mistkerlfigur gemacht hat. Ihr war immer egal, was er erlebt haben muss, um so hart zu werden. Ganz zu schweigen von den gesellschaftlichen Bedingungen drum herum. Sie hat ihm nie verziehen, dass er sie so gequält hat. Sie und seine Schwestern. Selbst als er starb, waren seine Töchter, bis auf die Jüngste (wieder so ein Märchenelement), nicht betroffen. Keine Träne wurde geweint um den Mann, der sie gezeugt und zu live-long-Opfern gemacht hat. Auch ihre Mutter war schon so ein Opferlamm. Ein Bauernmädchen, dass nur aufgrund seiner Schönheit geheiratet wurde (winke winke, Märchenmotiv!).

Die meisten Frauen meiner Familie irgendwie fremdbestimmt, mit Gewalt konfrontiert, unter Niveau beschäftigt und dann eben vor allem Mutter und immer Opfer. Und dadurch auch immer wieder Täterin.

Ich will mich nicht irgendwie stolzgeschwellt hinstellen und behaupten, ich wäre anders. Nö. Ich bin in dieselben Fallen getreten. Ich hab einige Parameter schon früh verstanden und bearbeitet. Aber ich habe alleine nicht begreifen können, wie tief diese Familienflüche greifen. Einen Teil dieser Tiefe konnte ich in der zweiten Therapie bearbeiten (Burnout/Depression). Der Rest wird gerade durch meine neue Rolle als Mama vertikutiert. Also: das hoffe ich schwer. Weiß ja nicht, welche Überraschungen da noch so lauern…

Ich möchte das Ultra-Aschenputtel nicht weitergeben. Und die Gefahr, es an ein Mädchen weiterzugeben ist höher, als bei einem Jungen! Mein Bruder hat nämlich kein Opfer-Gebahren am Hals. Mein Bruder ist irre stolz, klar, straigt und laut. Manche finden ihn unsympathisch, weil er von seiner Meinung grundsätzlich nicht abweicht. Ich finde ihn super, weil er dabei keine Gewalt ausübt.

Also ist es so, wie es jetzt ist, gut. Ich habe zwei Therapien gemacht, drei kleine Jungs geboren. Und die beiden Jungs, die hier noch weiter wachsen dürfen, werden keine weiteren Geschwister mehr bekommen.

Das Ultra-Aschenputtel hat sich keinen Prinzen gesucht, sondern einen Herausforderer. Es geht weder in Sack und Asche noch im Prinzessinnenkleid. Ok, es putzt viel…aber wenigstens redet es nicht mit Tauben. Nur mit dem dicken Kater der Nachbarin…

 

Liefs,

Minusch

2 Antworten auf „Ultra-Aschenputtel

    1. *lacht* irgendwann, irgendwann kommt es zu einer globalen Erkenntnis „wir sind doch alle gleich“

      Und dann brechen wir in hysterisches Gelächter aus weil wir gar nicht mehr schlimmer, besser, härter, zarter dran sind als irgendjemand sonst 🙂

      Ich koch jetzt Marmelade (nene, Sanddorn gibts hier nicht…)

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